Zu Kreditmechanik
Von den Kreditmechanikern wurde die Saldenmechanik geprägt. Die Kreditmechanik stellt einerseits Vorläufer, andererseits Grundelement saldenmechanischen Verstehens dar. Die Kreditmechanik entstand während der bislang größten Wirtschaftskrise der Menschheitsgeschichte – der großen Deflation in den 1930ern – und wurde federführend durch Wilhelm Lautenbach entwickelt.
Lautenbach war im Reichswirtschaftsministerium zuständig für die Eindämmung der Arbeitslosigkeit, für die Wiederbelebung der deutschen Konjunktur. Erschwerend kam im Sommer 1931 die deutsche Bankenkrise hinzu. Die großen Kreditinstitute waren in existenzielle Zahlungsschwierigkeiten geraten, da einerseits durch die stagnierende und dann rückläufige Konjunktur die Kreditnehmer der Banken insolvent wurden, ihre Kredite also nicht mehr bedienen konnten, andererseits weil aus dem Ausland massenhaft Gelder von den deutschen Banken zurückgezogen wurden.
Nach dem Zusammenbrechen der deutschen Banken im Juli 1931 fand im September 1931 eine Geheimkonferenz1 statt, wo Lautenbach seinen Plan zur Konjunkturbelebung vorstellte: Möglichkeiten einer Konjunkturbelebung durch Investition und Kreditausweitung. Dieser später nach ihm benannte „Lautenbach-Plan“ wird von Wolfgang Stützel als Herzstück der historischen Weiche bezeichnet und enthält bereits die wesentlichen kreditmechanischen Erkenntnisse Lautenbachs.
Lautenbach schrieb keine umfangreichen Bände, verfasste Gutachten im Rahmen seiner Tätigkeit und einige wenige Aufsätze zu Kreditmechanik. Unmittelbar vom „Lautenbach-Plan“ inspiriert wurde der an der Konferenz (1931) teilnehmende Hans Gestrich, der später, kurz vor seinem Tod im November 1943, noch das Manuskript zu Kredit und Sparen fertigstellte – diese Publikation erscheint als Einstieg in die Kreditmechanik, weil einfach formuliert, überaus wertvoll und darauf basierend erschließt sich bald kreditmechanisches Verstehen. In früheren wie späteren Schriften der Kreditmechaniker sind an unterschiedlichen Stellen nützliche Inhalte enthalten – siehe auch Literatur.
„Lautenbach’s credit mechanics were taken up by Stützel (1953 [1979]) in his analysis of the determinants of the bank credit volume and forms a central part of his theory of ‘balances mechanics’ [‘Saldenmechanik’] (Stützel 1958 [1978]). He argued that the view that new bank loans generally lead to an increase in the volume of bank credit originated from a fallacy of composition. While for a subset of banks an increase in new lending could lead to an increase in their balance of loan assets, this did not necessarily have to be the case for the group of banks as a whole (Stützel 1953 [1979]). [...] Hence, Stützel argued that there was no direct relationship between the increase in new loans per period and the credit volume. This is contrary to what a naïve interpretation of a ‘loans create deposits theory’ would suggest.“ (Decker/Goodhart 2018).
1 Geheimkonferenz der Friedrich List-Gesellschaft im September 1931 über Möglichkeiten und Folgen einer Kreditausweitung. Siehe auch Einleitungsreferat zum Konferenzbeginn am 16. September 1931 durch Edgar Salin (PDF; 99 KB).