Grundlagen der Saldenmechanik

In der Saldenmechanik werden die Begrifflichkeiten Ausgaben für geldvermögenmindernde Transaktionen und Einnahmen für geldvermögenerhöhende Transaktionen verwendet.  Geldvermögensneutrale Ausgaben (als Zahlungsausgänge bezeichnet - beispielsweise wenn Wertpapiere gekauft werden: In der Bilanz sinkt die Summe der Position Kasse um den Betrag x, die Position Wertpapiere [Forderungen auf Geld] steigt um den gleichen Betrag [Aktivtausch]) - sind insofern, wenn von Ausgaben gesprochen wird, nicht gemeint (Zahlungsausgang gegen Geldtitel). Eine geldvermögensneutrale (Geld-) Einnahme (Aktivtausch - beispielsweise Wertpapierverkauf) wird in der Saldenmechanik als Zahlungseingang bezeichnet.

 

Ausgaben weisen vermögensneutrale Wirkung (nicht geldvermögensneutrale) Wirkung auf, wenn diese zum Zweck einer Sachinvestition getätigt werden: Kasse vermindert sich in der Bilanz um Betrag x, Sachvermögen erhöht sich um den gleichen Betrag. Das Geldvermögen des jeweiligen Wirtschaftssubjektes verringert sich, sein Vermögen insgesamt (Geld- zuzüglich Sachkapital) bleibt (bilanztechnisch) gleich hoch.  

 

Das Reinvermögen eines Wirtschaftssubjektes setzt sich zusammen aus Sachvermögen plus Forderungen minus Verbindlichkeiten. Sachvermögen sowie Forderungen (auf Sachen oder auf Geld - meist monetäre Forderungen gemeint) stehen in der Bilanz in der linken Spalte unter Aktiva. Verbindlichkeiten werden in der rechten Spalte der jeweiligen Bilanz ausgewiesen (Passiva).  Die Höhe der Differenz wird als Eigenkapital bezeichnet. Ist das Eigenkapital positiv (aus der Summe Aktiva minus Passiva) gilt das jeweilige Wirtschaftssubjekt als solvent (aber nicht unbedingt als liquide).

 

Da in Theorie und Praxis der doppelten Buchführung die Summe der Aktiva mit der Summe der Passiva idente Höhe aufweisen (Bilanzsumme) müssen, wird die Differenz (Eigenkapital) positiv oder negativ auf der Passivseite dargestellt.

 

Die Höhe des Eigenkapitals beschränkt unter den Mindesteigenkapitalanforderungen (Basel I/II/III) die Höhe der möglichen Kreditvergabe durch die europäischen Kreditinstitute - je nach Ausfallrisiko des jeweiligen Schuldners gelten unterschiedlich hohe (quantitav/qualitative) Eigenkapitalanforderungen.

 

Wird in der Saldenmechanik von Sparen gesprochen, ist damit (sofern nicht ausdrücklich angegeben) nicht das Sparen in Form von Sachvermögenssteigerung gemeint, sondern das Sparen zum Zweck der Erhöhung monetärer Titel (Geldforderungen im weitesten Sinne), also typischerweise Ausgabenverzicht mit der Beabsichtung der Geldvermögenserhöhung (bzw. mit der Beabsichtigung der Verringerung monetärer Verbindlichkeiten - also genauso geldvermögenssteigernd) durch das jeweilige (einzelne) Wirtschaftssubjekt oder durch den jeweiligen (einzelnen) Sektor.

 

Einnahmeüberschuss oder Ausgabenüberschuss wird in der Saldenmechanik pro (zeitlicher) Periode verstanden und gilt netto (Geldforderungen/Geldverbindlichkeiten bereits gegensaldiert).

 

Aus der Kumulierung periodisch erzielter Einnahmeüberschüsse wird klassischerweise die Höhe des jeweiligen Geldvermögens eines Wirtschaftssubjektes gebildet. Jeder periodische Ausgabenüberschuss vermindert das Geldvermögen, erhöht die monetäre Gesamtverschuldung des jeweiligen Wirtschaftssubjektes (bedeutet aber nicht unbedingt ein Vermögensdefizit, da ja mittels monetären Ausgabenüberschusses auch eine Sachvermögenssteigerung kreditfinanziert werden kann = vermögensneutral).

 

Im Unterschied zu der Bestandsgröße des Geldvermögens (eines Wirtschaftssubjektes) zum Zeitpunkt z, handelt es sich bei Einnahme- bzw. Ausgabenüberschüsse um monetäre Stromgrößen. In der Saldenmechanik wird weiters unterschieden zwischen geplanten (ex-ante) und realisierten (ex-post) Überschüssen. Freillich verändern nur realisierte monetäre Überschüsse den jeweiligen Geldvermögensbestand - dennoch ist die Unterscheidung dahingehend wesentlich, als beispielsweise die Erhöhung geplanter (ex-ante) Einnahmeüberschüsse einzel- oder auch gesamtwirtschaftlich sich in ihrer späteren Realisierung letztlich (ex-post) genau zum Gegenteil (Sparparadoxon) verkehren kann (die Summe aller realisierten Einnahmen resultiert in der Gesamtwirtschaft ja aus der Summe aller Ausgaben).

 

Dass seit Anfang der 1980er Jahre die saldenmechanische Analyse im akademischen Diskurs weiterhin kaum relevante Beachtung erfährt, ist auch jenen Partialinteressen1 geschuldet, die an einer Nachvollziehbarkeit manch wirtschafts- bzw. finanzpolitischer Praktik tendenziell wenig bis kein Interesse haben (vgl. Ernst Wolff [2020] hier allgemein und [2019] etwa zum Groll auf Alfred Herrhausen).

 

1 „Ebenso muss zugestanden werden, dass immer dort, wo von dieser Gleichheit abgegangen wird, wir den Armen mehr an Bedürfnisbefriedigung rauben, als wir den Reichen hinzufügen, und dass der törichte Genuss einer frivolen Eitelkeit eines einzigen Individuums häufig mehr kostet als das Brot vieler Familien, ja ganzer Landstriche.“ (David Hume [1751/77/2012] in: Eine Untersuchung über die Prinzipien der Moral, Abschnitt II, Über die Gerechtigkeit).