Saldenmechanik der Unternehmensinvestitionen

Theoretisch und saldenmechanisch finanzieren sich bei gesamtwirtschaftlicher Untersuchung und bei Ausgabengleichschritt (in nachfolgender Abbildung: Ausgabengleichschritt der Unternehmen Anton, Berta, Christa) die Unternehmensinvestitionen von selbst: Die Ausgaben der Unternehmer untereinander sind ihre Einnahmen.  
 
Jenes Unternehmen, welches vom Ausgabengleichschritt abweicht (ausgabenseitig nach vorne drängt, um später eventuell einen Vorsprungseffekt gegenüber anderen realisieren zu können), benötigt Fremdkapital bzw. Kredit zur Finanzierung seiner Ausgabenüberschüsse.  
 
Jenes Unternehmen, welches vom Ausgabengleichschritt zurückbleibt (also beispielsweise in der Rezession vorsichtshalber Einnahmeüberschüsse kumuliert, Liquidität zu erhöhen beginnt), entzieht freilich anderen Unternehmen bzw. dem Unternehmenssektor Einnahmen (somit letztlich auch sich selbst)1, womit dann einzelne wiederum Fremdkapitalanteile benötigen, um ihre ausfallenden Einnahmen (jedenfalls zum Teil) auszugleichen (Durchhaltekredit).
 
Die Realisierung eines Einnahmeüberschusses (in nachfolgender Abbildung Einnahmeüberschuss aus Runde 2 durch Unternehmen Christa) erzwinge (ex post), sofern die sektoralen Unternehmenseinnahmen sich in gleicher Höhe (und in den folgenden Runden) fortsetzen sollen, einen weiteren Ausgabenüberschuss (in der folgenden Runde 3) eines anderen (zB Berta) in gleicher Höhe:
Ein zusätzlicher Ausgabenüberschuss (Berta in Runde 3) ermöglicht dem Unternehmenssektor (nach der Realisierung des Einnahmeüberschusses von Christa aus Anton´s Ausgabenüberschuss) dann (weil Christa genau jene Einnahmenshöhe aus Berta´s Ausgabenüberschuss weiter an Anton ausgibt) ein per Saldo höheres Einnahmenniveau. Eine weitere Steigerung für den Sektor entsteht, wenn ein (weiteres) Unternehmen (zB Christa den aus Runde 2 realisierten Einnahmeüberschuss nun verbraucht/entspart oder) einen (weiteren) Ausgabenüberschuss tätigt (was sich freilich für Christa geldvermögenstechnisch aufhebe).
 
Wird aus einem erhöhten Einnahmeniveau offene (Bank-)Kreditschuld getilgt (Anton aus Runde 3), kein weiterer Ausgabenüberschuss getätigt, sinkt freilich das Einnahmeniveau wieder um genau jenen Tilgungsanteil (auch unter Einbeziehung eines Bankgläubigers, allerdings exkl. Zinsen)2 - das Einnahmeniveau des Unternehmenssektors fällt (in der Abbildung auf das Niveau der Vorrunde) zurück - siehe auch untenstehende (bereinigte) Abbildung.
 

Selbstfinanzierung der Investitionen bei Ausgabengleichschritt

Die Verringerung der Abweichung vom Ausgabengleichschritt verringert etwaigen Kreditbedarf der Unternehmen.3 Eine Erhöhung der Unternehmensinvestitionen wird üblicherweise durch eine erhöhte Ertragserwartung motiviert4 und erhöht freilich die Einnahmen sämtlicher Haushalte der Ökonomie (erhöht Beschäftigte - Staatshaushalt Inland - bei Nettoauslandsinvestitionen direkt/indirekt auch ausländische Sektoren inkl. ausländischem Staatshaushalt - sämtliche Kreditoren/Gläubiger/Anleger).

 

Je höher Ausgabenüberschüsse grundsätzlich getätigt werden, desto leichter fällt anderen Defizitsektoren die Konsolidierung (sowie Rückführung) ihrer monetären Schulden5.

 

Der gesamtwirtschaftliche Kreditbedarf verringert sich, wenn andere Wirtschaftssubjekte (bzw. Sektoren) ihre Abweichung vom Ausgabengleichschritt (ihren Spreizeffekt untereinander) verringern.

„Die Nachfrage der Unternehmer ist nicht eine Funktion ihres Einkommens, sondern ihr Einkommen ist eine Funktion ihrer Nachfrage." (Wilhelm Lautenbach: Zins, Kredit und Produktion, S. 22.)

 

1 Sparparadoxon bzw. Konkurrenzparadoxon nach Stützel auf Unternehmensebene - (gesamtwirtschaftliche) Rationalitätenfalle.

2 Vgl. Ewald Nowotny in: Antworten der Oesterreichischen Nationalbank, Antwortschreiben vom 30. Oktober 2012 (Link): „Die Zinseinnahmen der Banken kommen letztlich ebenfalls wieder in den Geldkreislauf – zum einen werden laufende Kosten (Refinanzierungskosten, Gehälter, Betriebskosten, etc.) damit bezahlt, zum anderen kommen sie als Gewinnausschüttung an den Eigentümer der Bank. Eine Problematik nicht rückzahlbarer Zinsen [...] sehe ich demnach nicht."

3 Wolfgang Stützel: Paradoxa der Geld- und Konkurrenzwirtschaft. Aalen 1979, S. 74: „Herrscht absoluter Kaufgleichschritt, so wird jede Vermehrung der Investition immer individuell selbstfinanziert. Herrscht Kaufgleichschritt (oder auch nur Konstanz des etwaigen Einnahmevorsprungs, d. h. der Geldersparnis der Nichtunternehmer, so wird jede Vermehrung der Investitionen notwendig durch die Unternehmer gegenseitig selbst finanziert. Gibt einer der Unternehmer für Investitionen mehr aus als er laufend einnimmt, erzielt also einer der Unternehmer einen Kaufvorsprung, dann hat unter diesen Bedingungen (Konstanz der Geldersparnis der Übrigen, d. h. der Nichtunternehmer und des Staates) immer schon gleichzeitig ein anderer Unternehmer den reziproken Verkaufsvorsprung, also immer auch schon einen Geldvermögenszuwachs. Würde jeder entstehende Geldvermögenszuwachs von den übrigen Unternehmern sofort verausgabt (oder auch nur zum Kauf von Beteiligungstiteln - Aktien u. ä. anderer Unternehmen - verwendet), so können sich die investierenden Unternehmer durch noch so große Investitionsausgaben überhaupt nicht verschulden: Ohne Geldersparnis (Geldvermögenszuwachs) entsteht gar kein Kreditbedarf!"

4 Hinsichtlich „Unternehmermotivation“ zu (außen- bzw. kreditfinanzierten) Investionen glaubt Stützel nicht allein an den Parameter der absoluten Ertragsfähigkeit der jeweiligen (geplanten) Investition, vielmehr an den der relativen. Vgl. Wolfgang Stützel (1983): Bankpolitik heute und morgen, S. 22: „In den meisten Bereichen der Industrie und des Warenhandels ist indes die Ungewißheit hinsichtlich der Erträge von Anlage- oder Lagerinvestitionen häufig nicht deren absoluter Ertrag, sondern die Differenz zwischen [a] dem erwarteten Ertrag bei Vornahme der Investition und [b] dem Verlust, der angesichts der Investitionen von Konkurrenzfirmen bei Unterlassung eigener Investitionen befürchtet werden müßte, also die relative Ertragsverbesserung durch die Investition.“

5 Ewald Nowotny: Gründe und Grenzen der öffentlichen Verschuldung. In: Ökonomie in Theorie und Praxis. Festschrift für Helmut Frisch. Berlin und Heidelberg 2002, S. 261: „Wirtschaftspolitisch bedeutungsvoll ist dabei die zwingende saldenmechanische Beziehung, dass eine Politik zur Reduzierung von aufgetretenen Budgetdefiziten („Budgetkonsolidierung“), nur dann erfolgreich sein kann, wenn es gelingt, den Finanzierungsüberschuss der privaten Haushalte zu reduzieren (z. B. durch erhöhten privaten Konsum) und/oder die Verschuldungsbereitschaft der Unternehmen zu erhöhen (z. B. durch Investitionen) und/oder eine Verbesserung der Leistungsbilanz (z. B. durch zusätzliche Exporte) zu erreichen.“

[Eine Verbesserung der Leistungsbilanz des einen Wirtschaftsraums basiert auf einer Geldvermögensverringerung bzw. Schuldenerhöhung eines komplementären Wirtschaftsraums - per Saldo können insofern nicht alle Staaten gleichzeitig ihre Leistungsbilanz verbessern - dabei handele es sich um das klassische Konkurrenzparadoxon.]